Am 29. Mai wird der Internationale Tag der UNO-Peacekeeper gefeiert. Auch die Schweiz ist aktiv an den militärischen Friedensmissionen der UNO beteiligt. Wie sieht diese Beteiligung genau aus und wie fühlt es sich an, im Feld für die UNO und den Frieden im Einsatz zu sein? Ein Gespräch mit Sarah Brunner und Alexander Furer.

„Es war sehr emotional für mich, als wir nach der elfstündigen Autofahrt von Beirut an die Grenze kamen und da ‚Welcome to Syria‘ auf einem Schild stand. Ich sah so viele zerstörte Dörfer und das war für mich damals eine Mischung aus ’spinne ich eigentlich?‘ und ‚wow, so eine Chance!'“, sagt Sarah Brunner, die derzeit im Schweizer Militär die Ausbildung zur Berufsoffizierin absolviert. Sie war im Libanon, in Syrien und in Mali Teil der UNO-Peacekeeping-Missionen, an denen sich die Schweiz beteiligt. Diese militärischen Friedensmissionen sollen in Krisengebieten die Eskalation von Konflikten verhindern, die Sicherheit der Bevölkerung vor Ort gewährleisten und somit die Arbeit für die zivile Friedensförderung ermöglichen.

Das Kompetenzzentrum SWISSINT (Swiss Armed Forces International Command) in Stans ist für das Schweizer Engagement für die friedensfördernden Missionen verantwortlich. Interessierte Schweizer:innen werden für Einsätze ausgewählt, ausgebildet und während der Zeit im Feld eng begleitet. Für den Kommandanten von SWISSINT, Alexander Furer, ist dabei der zwischenmenschliche Austausch einer der wichtigsten und herausforderndsten Aufgaben: „Das Leben im Feld ist ein komplett anderes als unser Leben hier in der Schweiz. Deshalb ist es enorm wichtig, dass man sich auch trotz der grossen Unterschiede in die andere Person hineinversetzen und sie verstehen kann.“

Bevor eine Person aber als UNO-Militärbeobachter:in ins Feld geschickt wird, erhält sie am Kompetenzzentrum eine umfassende Ausbildung. Dabei werden die Interessierten zuerst in alle wichtigen Bereiche eingeführt, wie den Sanitäts- und den Funkdienst, das Beobachtungswesen, Orientierung und Kartenlesen. An dem Kurs nehmen auch internationale Teilnehmende aus der ganzen Welt teil. Die Ausbildung erfolgt zusammen. Abgeschlossen wird das Trainings mit einer einwöchigen Abschlussübung, die die Teilnehmenden auf die Arbeit im Feld vorbereiten soll. Dazu gehört auch die Simulation einer Entführung. An diese kann sich Sarah Brunner noch gut erinnern: „Du wusstest, irgendwann kommen sie und holen dich, aber du wusstest nicht wann. Ich war die ganze Woche ziemlich angespannt deswegen“. Diese Szenarien seien halt real und die Simulation sei für sie sehr lehrreich gewesen.

Ihren ersten Einsatz nach der Ausbildung machte Sarah Brunner im Libanon. Im Süden des Landes war sie Teil einer klassischen Beobachtermission, wo zum Beispiel kontrolliert wird, ob die Regeln zwischenstaatlicher Verträgen eingehalten werden. Zudem gehörte auch der regelmässige Austausch mit der Bevölkerung vor Ort zu ihren Aufgaben. Ihr zweiter Einsatz führte sie nach Syrien, wo sie den Einsatz der Beobachtermission der UNO leitete. Zu diesem Zeitpunkt war Syrien für die UNO-Missionen zu und sie und ihr Team waren die ersten sechs Personen, die wieder für die UNO in das Land einreisen konnten. Während dieses Einsatzes bestand ihre Hauptaufgabe darin, die Beobachtermission neu aufzubauen. „Es war verrückt, wie viel Verantwortung ich damals hatte. Ich leitete ein internationales Team und konnte selbstständig die Umgebung erkunden und die geeignetsten Plätze für die Beobachtungsstandorte auswählen. Wir haben es dann auch geschafft, innerhalb von zwei Monaten den gesamten Beobachterzyklus wieder ins Rollen zu bringen.“ Ihr dritter Einsatz brachte Sarah Brunner schliesslich nach Mali. Dort war sie Chefin eines Open-Sources-Team und somit für die Steuerung der Nachrichtenbeschaffung verantwortlich. Zusätzlich reiste sie immer wieder in verschiedene Regionen des Landes und bildete dort die Beobachterteams in der Nachrichtenbeschaffung aus.

Während ihrer Zeit im Feld waren die Begegnungen mit den Menschen vor Ort für sie die schwierigsten, aber auch die wichtigsten Momente. So waren die strikten, gesellschaftlichen Hierarchien in Mali eine grosse Herausforderung für Sarah Brunner. In Mali sei sie die „weisse Madame der UNO“ gewesen und UNO-Angestellten hätten für sie den Haushalt gemacht und das Tor bewacht. „Ich kenne das nicht und ich will das auch gar nicht. Ich würde mir auch im Militär in der Schweiz nie die Schuhe putzen lassen, nur weil ich einen höheren Rang habe. Ich kann meine Schuhe selber putzen, sonst könnte ich ja auch keine Leute führen.“ Eine schöne Erfahrung in diesem Kontext habe sie aber mit dem Gärtner vor Ort erlebt, der sich zuerst kaum traute, mit ihr ein Gespräch zu führen. Mit der Zeit tranken sie aber immer um 6 Uhr morgens gemeinsam einen Kaffee, während er mit ihr schöne, aber auch tragische Geschichten von seinem Leben und seiner Familie teilte. Generell sei die Gastfreundschaft und die Grosszügigkeit der Leute vor Ort sehr eindrücklich für sie gewesen. Leute, die nichts hatten, versuchten einem trotzdem alles zu geben. Umso schwieriger war dann der Wechsel zurück in die Schweiz: „Hier haben die Leute alles und geben dir nichts.“ Dies habe sie sehr geprägt und darin bestärkt, was sie in ihrem Leben will: „Ich will aufstehen und einstehen für andere Menschen – ich möchte Gehör verschaffen gegen Ungerechtigkeiten. Und dieses Augenöffnen war eines der schönsten Erlebnisse dieser Einsätze für mich.“

Um den Einsatz von Personen wie Sarah Brunner zu würdigen, feiert die UNO jedes Jahr am 29. Mai den Internationalen Tag der Peacekeeper. Dieses Jahr wurde die Bedeutung junger Menschen für den internationalen Frieden in den Mittelpunkt gestellt: Junge Menschen, die für die UNO Einsätze absolvieren, aber auch junge Menschen und Gruppen, die in Krisengebieten leben und eine entscheidende Rolle in der Transition hin zu mehr Frieden spielen.

Informationen zur Arbeit von SWISSINT und den Einsatzmöglichkeiten gibt es im Rahmen einer Veranstaltung des Dunant-Museums in Heiden (AR) am 1-17 Uhr. Mehr Informationen dazu gibt es hier oder oder unter www.peace-support.ch.

Schweizer Friedensförderung
Momentan sind rund 280 Personen in 19 Ländern im Einsatz für die militärische Friedensförderung der Schweiz. Personell der grösste Einsatz ist die SWISSCOY im Kosovo, das personell zweitgrösste Einsatzgebiet ist Bosnien-Herzegowina. In anderen Missionen werden die Personen unter anderem als Minenräumspezialist:innen, Stabsoffizier:innen oder UNO-Militärbeobachter:innen eingesetzt.Im November 2020 hat der Bundesrat festgelegt dass sich die militärische Friedensförderung der Schweiz weiterentwickeln soll. Dabei wurde festgelegt, dass neu zum Beispiel Aufklärungseinsätze mit Drohnen oder Helikoptern durchgeführt werden. Ebenfalls wurde entschieden, dass der geografische Schwerpunkt der Einsätze stärker auf Afrika gelegt werden soll.


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